Die Zunahme der Verpackungsabfälle ist eine globale Herausforderung. Gemäss Zahlen der EU wirft jede und jeder Einzelne in Europa jeden Tag ein halbes Kilo an Verpackungen weg und dies oft unmittelbar nach dem Kauf. Zwar erleichtern Verpackungen den Transport und schützen die Waren, in der Herstellung sowie Entsorgung können sie aber auch Auswirkungen auf die Umwelt haben: Von der Nutzung natürlicher Ressourcen über Umweltverschmutzung bis hin zu verursachten CO₂-Emissionen. Um dem entgegenzuwirken, hat die EU die Rechtsvorschriften überarbeitet. Der Vorschlag einer Europäischen Verpackungs- und Verpackungsabfall-Verordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation, PPWR) liegt seit Ende November 2022 vor und muss nun, voraussichtlich Mitte November 2024, noch die letzte Hürde der finalen Abstimmung im europäischen Parlament nehmen. Das Ziel der PPWR ist die Verringerung von Verpackungsabfällen, die Förderung einer kosteneffizienten Kreislaufwirtschaft für Verpackungen sowie die Harmonisierung der Verpackungsvorschriften.
Strenge Anforderungen an Verpackungen
Dieses Ziel versucht die PPWR mit 65 Artikeln plus Anhang in über 200 Seiten zu erreichen. Die PPWR stellt strenge Anforderungen an die Recyclingfähigkeit von Verpackungen, fordert Rezyklateinsatzquoten, verbietet gewisse Verpackungsformate, setzt erstmals EU-weit verbindliche Abfallvermeidungsziele und Mehrwegquoten, einheitliche Kennzeichnungsvorschriften und Pfandpflichten.
Die Fülle an Anforderungen und Vorschriften wird weitreichende Auswirkungen auf Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette haben. Folgende Inhalte sind vorgesehen:
❱ Ab 2030 müssen alle Verpackungen, die auf den europäischen Markt kommen, recycelbar sein. Bis spätestens 2035 müssen sie auch effektiv recycelt werden; das heisst, die Verpackungsabfälle werden gesammelt, sortiert und mit bestehenden Anlagen und bewährten Methoden recycelt. Die Bemessung der Recyclingfähigkeit (Design for Recycling) geschieht dabei nach Recycling-Klassen, die in delegierten Rechtsakten festgelegt werden.
❱ Kunststoffverpackungen müssen einen Mindestanteil an recyceltem Material enthalten. Ausgeschlossen von dieser Regelung sind die meisten medizinischen und kompostierbaren Verpackungen oder Kunststoffteile, die weniger als 5 Prozent des Gesamtgewichts ausmachen.
❱ Obst- bzw. Gemüseklebeetiketten und Kaffeesowie Teefilter und Pads müssen drei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung industriell kompostierbar sein.
❱ Verpackungen müssen in Gewicht und Volumen auf ein Minimum reduziert werden. Dabei gilt auch ein Leerraum-Verhältnis von maximal 50 Prozent für Gruppen-, Transport- und ECommerce-Verpackungen.
❱ Bis 2030 wird mindestens 10 Prozent Mehrwegquote für alkoholische und nicht-alkoholische Getränke gefordert und 40 Prozent Mehrweg-Anteil für Transportverpackungen (100 Prozent sofern innerhalb eines Mitgliedstaates oder innerhalb verschiedener Standorte eines Betriebs). Ausgenommen sind hier Mikrounternehmen sowie auch einzelne Formate, wie Karton-Kisten.
❱ Endverteilungsbetriebe im HORECA-Sektor müssen Verbraucherinnen und Verbrauchern die Möglichkeit von wiederverwendbaren Take-away-Verpackungen bieten.
❱ EU-weite Harmonisierung der Kennzeichnung von Verpackungen hinsichtlich Material, Sortierung oder auch Mehrweg.
❱ Verbote von bestimmten Einweg-Verpackungsformaten aus Kunststoff, wie Einweg-Kunststoffverpackungen für Früchte und Gemüse.
❱ Alle Mitgliedstaaten müssen Pfandrücknahmesysteme für Einweg-Kunststoffgetränkeflaschen sowie Aluminiumdosen einrichten, sofern sie nicht mindestens eine Sammelquote von 90 Prozent erreichen. Hinweis: In der Schweiz wird diese Sammelquote sowohl für PET-Getränkeflaschen als auch für Aluminiumdosen erreicht.
❱ Einführung eines Registers der Verpackungshersteller sowie Prüfpflichten zur Sicherstellung der Einhaltung der erweiterten Produzentenverantwortung.
Wie geht es jetzt weiter?
Voraussichtlich Mitte November wird das neue EU-Parlament über die PPWR final abstimmen. Danach tritt die Verordnung 20 Tage nach Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft und findet ab 18 Monaten nach Veröffentlichung ihre frühestmögliche Anwendung. Aber auch nach der finalen Abstimmung bleibt vieles noch unklar, da viele Details in den 29 sekundären Rechtsakten (delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte) in den nächsten Jahren erst noch geklärt werden. Das Thema wird uns also auch die nächsten Jahre noch beschäftigen.
Was bedeutet das für die Schweiz?
Gesetzliche Grundlage für Verpackungen bilden in der Schweiz aktuell insbesondere zwei Regelwerke: Die Verordnung über Getränkeverpackungen (VGV) und die Verordnung über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen (VVEA). Es gibt keine allgemeine Verpackungsverordnung, entsprechend gibt es mit Ausnahme der Getränkeverpackungen auch keine quantitativen Ziele für Verpackungen. Mit der Revision des Umweltschutzgesetzes (USG) öffnet sich der Weg zu mehr Kreislaufwirtschaft. Der Bundesrat kann künftig Anforderungen und Vorgaben an das Inverkehrbringen von Produkten und Verpackungen stellen, z.B. im Bereich Recyclingfähigkeit, Rezyklateinsatz oder Überverpackungen. Die Arbeiten zur Umsetzung der neuen Bestimmungen im USG laufen und Verordnungsanpassungen werden geprüft.
Betreffend der PPWR sind Schweizer Unternehmen indirekt vor allem in zwei Fällen betroffen: Wenn sie Waren in die EU exportieren, die von einem Importeur weiterverkauft werden, oder bei einem Direktexport zum Verbrauch.
Empfehlungen für Schweizer Firmen
Aber nicht nur wer Waren in die EU exportiert, tut gut daran, sich mit den Auswirkungen der PPWR auf die eigenen Verpackungen auseinanderzusetzen und sich entsprechend vorzubereiten. Das heisst konkret, die Kreislauffähigkeit der eigenen Produkte und Dienstleistungen zu verstehen und erforderliche Optimierungen vorzunehmen. Es empfiehlt sich, den Materialeinsatz zu minimieren, Design for Recycling Guidelines zu beachten, einen maximalen Einsatz von Rezyklat anzustreben und Reuse-Systeme zu etablieren, wo dies sinnvoll ist.
Weiter gilt es, die Zusammenarbeit der ganzen Wertschöpfungskette auszubauen und voranzutreiben, um eigenverantwortlich ambitionierte Ziele zu erreichen. Mit einer aktiven Wirtschaft hat die Schweiz die Chance, eine weniger detaillierte Lösung als die EU zu erreichen.
Im Rahmen der Partnerschaft Swiss Recycle engagieren und informieren sich beispielsweise bereits über 90 Organisationen über die ganze Wertschöpfungskette für mehr Kreislaufwirtschaft in der Schweiz. Durch Wissen, Vernetzung und konkrete Umsetzungsmöglichkeiten unterstützt Swiss Recycle Firmen auf dem Weg Richtung Kreislaufwirtschaft. Die Entwicklungen der PPWR werden in diversen Wissens-Formaten aufgegriffen, von Webinaren über Faktenblätter bis hin zu Veranstaltungen.
Was ändert sich bis 2030?
❱ Verpackungen müssen recycelbar sein.
❱ In der EU sollen mindestens 5 Prozent weniger Verpackungsabfälle anfallen.
❱ Gewisse Einweg-Kunststoffformate werden verboten.
❱ Es gelten Mehrwegquoten für Getränke (10 Prozent), mit Ausnahme von Milch, Wein und Spirituosen, sowie für Transportverpackungen (40–100 Prozent).
❱ Es gibt Rezyklat-Einsatzquoten für Kunststoff.
❱ Verpackungen müssen zum eingesetzten Material und zur Sortierung einheitlich gekennzeichnet werden.