Mittels massiver Lobbykampagnen werden papierbasierte Lebensmittelverpackungen von manchen Verpackungsherstellern und der Systemgastronomie als nachhaltige Alternative zu reinen Kunststoffverpackungen vermarktet, obwohl sie fast alle mit Kunststoffen, Aluminium oder anderen chemischen Beschichtungen kombiniert werden, selten recycelte Inhalte enthalten und die weltweite Abholzung der Wälder sowie den industriellen Wasserverbrauch vorantreiben. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Europäischen Umweltbüros mit Sitz in Brüssel, die untersuchte, ob solche Einwegpapierverpackungen eine glaubwürdige Lösung für die wachsende Abfallkrise in Europa darstellen. Die Analyse ergab, dass papierbasierte Verpackungen die grösste Quelle für Verpackungsabfall in der EU sind. Mit 32,7 Millionen Tonnen im Jahr 2020 macht Papier allein mehr Müll aus als die beiden nächstgrössten Abfallströme Kunststoff und Glas zusammen.
Der Bericht zeigt aber vor allem die gravierenden Einschränkungen des Recyclings für Lebensmittel- und Getränkeverpackungen auf Papierbasis auf. Lebensmittel- und Getränkeverpackungen auf Papierbasis werden fast immer mit Kunststoffen, Aluminium oder Chemikalien kombiniert, um sie wasserdicht oder fettbeständig zu machen, was den Recyclingprozess erschwert oder verunmöglicht. Das bedeutet, dass solche Lebensmittelverpackungen in der Praxis verbrannt oder deponiert werden müssen. Dies zeigt auch, dass Recycling allein definitiv nicht ausreichen wird, um den wachsenden Bedarf an Frischfasern zu decken, der durch das unkontrollierte Wachstum von Einwegpapierverpackungen verursacht wird. Die Kombination von Papier mit Kunststoffen und Chemikalien lässt auch die Bedeutung von Papierverpackungen für die Konsumentensicherheit in einem neuen Licht erscheinen, denn Labortests zeigen, dass gefährliche Chemikalien – einschliesslich solcher, die Krebs verursachen und Hormone stören können (wie PFAS) – in Lebensmittelverpackungen aus Papier und Karton enthalten sind. Sie können aus dem Verpackungsmaterial migrieren und in den Körper der Konsumenten gelangen.
Situation in der Schweiz
Auch in der Schweiz behaupten die Inverkehrbringer, dass papierbasierte Lebensmittelverpackungen recycelbar seien. Rein technisch betrachtet ist dies korrekt. Aber in der Praxis bräuchte es dafür zwei getrennte Sammlungen: die derzeit bestehende «blaue» Sammlung für Papier und Karton ohne Beschichtung und eine «gelbe» Sammlung für papierbasierte Lebensmittelverpackungen. Eine solche Sammlung gibt es jedoch in der Schweiz aktuell nicht. Derzeit wird der «gelbe» Abfallstrom, also papierbasierte Lebensmittelverpackungen mit Beschichtungen aus Kunststoff, Aluminium oder anderen Chemikalien, aussortiert und in den Kehrrichtverbrennungsanlagen verwertet. Papierbasierte Lebensmittelverpackungen sind in der Schweiz also de facto momentan nicht recycelbar. Dies ist der aktuelle Stand des Irrtums. Sämtliche Verpackungen, die mit grossem Marketing-Getöse von Kunststoff auf papierbasierte Mischverpackungen umgestellt wurden, sind aus Sicht des Recyclings und der Abfallwirtschaft absolut ungeeignet und daher ist die Umstellung vollkommen sinnlos. Insofern werden die Konsumenten von Herstellern papierbasierter Lebensmittelverpackungen, Detailhandel und der Systemgastronomie im Grunde vorsätzlich getäuscht, um diese Art von Verpackungen «grün» zu waschen und den Konsumenten ein «gutes» Gewissen beim Kauf vorzugaukeln. Der Verband Swiss Recycle hat das Problem papierbasierter Lebensmittelverpackungen schon längst erkannt und arbeitet derzeit mit Unterstützung des Schweizerischen Verpackungsinstituts daran, eine Guideline mit klaren Aussagen zum Recycling in der Schweiz herauszugeben.
Schweizerisches Verpackungsinstitut SVI
(Anmerkung: Der Beitrag wird in einer der kommenden Ausgaben fortgesetzt.)