Die Jahrestagung des SVI, die auf den 17. September 2024 verschoben wurde, bot einen Überblick über die Herausforderungen der Verpackungsindustrie. Im Fokus stand, wie sich die Branche zukunftssicher aufstellen kann, insbesondere im Hinblick auf die neue European Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR), die weitreichende Folgen für die Verpackungsindustrie haben wird.
Gerade in Krisenzeiten ist Vernetzung essenziell
Andreas Zopfi, Geschäftsführer des SVI, betonte die Bedeutung der Vernetzung und Diskussion über die Zukunft der Verpackungsbranche vor allem in Krisenzeiten.
Tagungsleiterin Dr. Karola Krell-Zbinden, Expertin im Lebensmittelrecht, moderierte die Veranstaltung und erläuterte, dass die PPWR auch die Schweiz als Nicht-EU-Land betreffen wird, da diese EU-Recht aufgrund der Rahmenverträge in nationales Recht umschreiben muss. Verpackungshersteller müssen sich auf bevorstehende rechtliche Änderungen einstellen, um den Marktzugang zu sichern.
Regulatorisches «Chrüsimüsi»
Dr. Jan Hendrik Kempkes von der Interzero Recycling Alliance GmbH erläuterte die Komplexität der PPWR mit ihren zahlreichen neuen Erzeuger- und Herstellerpflichten. Wichtige Vorgaben umfassen die Sicherstellung der Verpackungskonformität, Recyclingfähigkeit und die Verwendung von Rezyklaten. Diese Herausforderungen erfordern eine proaktive Reaktion der Schweizer Verpackungsindustrie, da die strengen Vorgaben Unternehmen zwingen, für das gesamte Leben ihrer Verpackungen Verantwortung zu übernehmen.
Rezyklateinsatz
Dr. Martin Engelmann von der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen thematisierte die neuen Regelungen zum Einsatz von Rezyklaten in Lebensmittelverpackungen und wies auf Herausforderungen wie die Verfügbarkeit und gesundheitliche Bedenken hin. Besonders in sensiblen Bereichen wie der Lebensmittelverpackung stösst der Einsatz von Rezyklaten auf technologische und regulatorische Hürden. Engelmann kritisierte hierbei die europäische Gesetzgebung, die aus seiner Sicht unnötig strikte Vorgaben mache und damit Innovationen behindere.
Kunststoffabfall als Rohstoff
Markus Tonner von InnoRecycling diskutierte, wie Kunststoffabfall zu einem wertvollen Rohstoff umgewandelt werden kann und stellt ernüchternd fest: «Kunststoff ist in der Schweizer Entsorgungswirtschaft heute in erster Linie ein beliebter Brennstoff.»
Es fehle laut Tonner an einem echten Bekenntnis zur Kreislaufwirtschaft – sowohl seitens der Politik als auch der Wirtschaft. Der derzeitige Kurs sei eher abwartend, während die EU den Takt vorgibt. Ein weiteres Problem sieht er in den gesetzlichen Rahmenbedingungen, die noch unsicher seien. Wie es mit dem Entsorgungsmonopol weitergeht, bleibe offen, und obwohl Konsumenten zunehmend recycelte Verpackungen forderten, blieben die entsprechenden Angebote im Handel noch begrenzt.
Philippe Dubois, Präsident des SVI, ergänzte Tonners Einschätzung mit der Beobachtung, dass das Bundesamt für Landesversorgung das Potenzial von Kunststoffverpackungen erkannt habe, was Hoffnung für die Zukunft biete.
Einweg- versus Mehrwegglas
Erich Jaquemar von Vetropack Austria erklärte die Vor- und Nachteile von Einweg- und Mehrwegglasverpackungen und beleuchtete die politischen Massnahmen in Österreich zur Reduktion von CO₂-Emissionen durch Mehrwegquoten. Grundsätzlich sieht er grosses Potenzial in Mehrweglösungen, betonte jedoch auch die praktischen Herausforderungen, vor allem für Abfüller. Viele werden auf Standardflaschen zurückgreifen müssen. Ausserdem müssen viele Akteure zusammenarbeiten, um die Effizienz zu steigern, die Sortierlogistik zu vereinfachen und die Kosten zu senken.
Die Faltschachtel in der Circular Economy
Winfried Mühling von Pro Carton sprach über die Rolle von Kartonverpackungen in der Kreislaufwirtschaft, die in der EU eine Recyclingquote von 82 Prozent und in der Schweiz 85 Prozent erreichen. Die Vielseitigkeit von Karton, insbesondere im Lebensmittelbereich, wurde ebenfalls betont.
Künstliche Intelligenz im industriellen Umfeld
Dr. Alan Ettlin und Daniel Höfliger von BBV Software Services erläuterten die Rolle von generativer KI in der Industrie. Sie erklärten, wie generative KI, z. B. ChatGPT, eigenständig Inhalte erstellt. Höfliger berichtete, dass 72 Prozent der Schweizer Unternehmen generative KI nutzen, jedoch nur 30 Prozent über klare Richtlinien verfügen, was ein Risiko für Unternehmensdaten darstellt. Die Nutzung von KI-Agenten konzentriert sich vor allem auf Wissensmanagement, während ihre Anwendung in Industrie 4.0 und IoT noch begrenzt ist. Die Referenten forderten: Unternehmen müssen klare Richtlinien für den Einsatz von KI entwickeln, um Datenrisiken zu minimieren und das volle Potenzial von KI in der Industrie auszuschöpfen.
Einsatz KI-basierter Texterstellung
Antonios Smyrnaios von eology GmbH präsentierte die Anwendung von KI in der Texterstellung für E-Commerce, insbesondere für B2B-Verpackungen. Er betonte den Trend zu suchmaschinenoptimierten Texten (SEO) und berichtete von hohen Erwartungen an Produktivität und Kostensenkungen durch den Einsatz von KI. In Tests zeigte sich jedoch, dass KI-Texte oft hinter menschlicher Feinabstimmung und individueller Beratung zurückbleiben, was sich negativ auf SEO-Rankings auswirkt. KI kann die Texterstellung unterstützen, ist jedoch kein Ersatz für menschliche Kreativität und Anpassungsfähigkeit; die Qualität der Ergebnisse hängt stark von der Anwendung ab.
Take-home-Messages der Jahrestagung 2024
Die Jahrestagung des SVI hat gezeigt, dass die Verpackungsindustrie vor enormen Herausforderungen steht. Die Teilnehmer wurden sich der Bedeutung einer proaktiven Auseinandersetzung mit der PPWR bewusst. Nur durch enge Zusammenarbeit von Industrie, Politik und Verbrauchern können die ambitionierten Recyclingund Nachhaltigkeitsziele erreicht werden. Innovative Technologien, wie Künstliche Intelligenz, werden eine entscheidende Rolle in der zukünftigen Entwicklung der Branche spielen.