Das Ziel ist lobenswert, doch es hat mehrere Haken: Die Schweiz ist mit Ausnahme von PET-Kunststoff und Papier/Karton/Wellkarton praktisch ein Entwicklungsland beim Recycling. Eine flächendeckende Recycling-Infrastruktur ist nicht vorhanden und kurzfristig dürfte das auch so bleiben. Die zu erwartenden riesigen Berge an Kunststoffen und anderen Verpackungsmaterialien müssten also ins Ausland zum Recycling transportiert werden. Und neben dem Kunststoff scheint nun auch das gleiche Problem beim Glas zu folgen. Das bedeutet auch: Bei Verpackungsmaterialien steigt die Abhängigkeit vom Ausland ungebremst.
Basis der Diskussionen in der Schweiz sind verschiedene Gesetze: das Bundesgesetz über den Umweltschutz (USG) von 1983, die Verordnung über die Vermeidung und die Entsorgung von Abfällen von 2015 und die Verordnung über den Verkehr mit Abfällen (VeVA) sowie weitere punktuelle Verordnungen, wie beispielsweise für die Chemikalien-Risiko-Reduktion, die Rückgabe, Rücknahme und Entsorgung elektrischer und elektronischer Geräte sowie über Getränkeverpackungen. Aktuell wird über eine Revision des Umweltschutzgesetzes beraten. Hintergrund dazu ist die parlamentarische Initiative «Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken» von der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK) des Nationalrates. Sie wurde lanciert, um zahlreiche Vorstösse zur gesetzgeberischen Aktivität in einem kohärenten Gesetzesentwurf zu vereinigen. Ausgearbeitet wurde ein Entwurf mit neuen Rechtsgrundlagen im Umweltschutzgesetz (USG), mit dem Ziel, die Kreislaufwirtschaft zu stärken, die Umweltbelastung zu reduzieren sowie die Leistungsfähigkeit und Versorgungssicherheit der Schweizer Wirtschaft zu erhöhen. Zwischenzeitlich hat die Vorlage beide Räte durchlaufen und die Differenzbereinigung ist noch im Gange. Nachdem es auch nach erneuter Beratung im Nationalrat am 26. Februar 2024 noch immer Abweichungen gab, ging die Vorlage zurück an den Ständerat.
Dagegen wurde die «Motion Dobler» bereits im Jahr 2021 angenommen. Sie beauftragt den Bundesrat, mittels Verordnung festzulegen, dass stofflich verwertbare Anteile von Kunststoffabfällen schweizweit koordiniert und flächendeckend getrennt gesammelt und hochwertig stofflich verwertet werden können. Mit dem Projekt «Sammlung 2025» entsteht als freiwillige Initiative der Wirtschaft die Aufgleisung des nationalen Systems für Kunststoffverpackungen und Getränkekartons. Über 70 Organisationen entlang der Wertschöpfungskette haben den Pact «Kreisläufe für Kunststoffverpackungen und Getränkekartons schliessen» unterzeichnet und sich damit zum Ziel bekannt, eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft für Kunststoffverpackungen und Getränkekartons aufzubauen. Das Schweizerische Verpackungsinstitut SVI ist hier auch mit dabei.
Ziel der Sammlung 2025 ist, dass so weit möglich alle Verpackungen in der Schweiz gesammelt, rezykliert und dann auch der Schweizer Industrie zur Wiederverwertung zur Verfügung gestellt werden sollen. Was auf den ersten Blick sinnvoll und lobenswert erscheint, droht allerdings daran zu scheitern, dass wir aktuell über keine flächendeckende und ausreichende Recycling- Industrie für die zu erwartenden Sammelmengen verfügen. Lediglich für die Packmittelfraktionen PET, Papier, Karton und Wellkarton gibt es eine schweizweit funktionierende Sammel- und Rezyklierungsinfrastruktur. PET wird im Auftrag des Vereins PET Recycling Schweiz in Frauenfeld, Neuenhof und Grandson sortiert und regranuliert sowie in Frauenfeld und Bilten verwertet. Papier wird von der Perlen Papier AG der CPH-Gruppe in Perlen rezykliert. Karton und Wellkarton werden von den beiden Papierfabriken der Model AG in Weinfelden und Niedergösgen zu Wellkartonrohpapier verarbeitet. Für Weissblech, Stahldosen und Aluminium gibt es in der Schweiz nur eine Sammelinfrastruktur, die Rezyklierung findet im Ausland statt.
Für alle Kunststoffe ausser PET gibt es bis anhin keine schweizweit flächendeckend funktionierende Sammel-, Sortier- und Rezyklierungsinfrastruktur, sondern nur lokale Unternehmen, die kleine bis mittlere Mengen, in aller Regel sortenreine Produktionsabfälle aus der Industrie übernehmen und regranulieren, wie beispielsweise die Inno-Gruppe in Eschlikon. In der ganzen Schweiz existieren weder eine ausreichende Anzahl an Sortieranlagen für die verschiedenen Kunststoffe noch die Extruder zur Regranulierung als Voraussetzung für eine Wiederverwertung der Kunststoffe. Es dürfte nahezu unmöglich sein, bis 2025 einen entsprechenden Industriezweig flächendeckend in der Schweiz aufzubauen. Und selbst das Regranulat könnte nicht vollständig in der Schweiz wieder verarbeitet werden, da in der Schweiz keine Extrusionsblasfolien für flexible Verpackungen mehr hergestellt werden. Hierzulande werden nur noch formstabile Verpackungen oder Vorprodukte wie Preforms extrusionsgeblasen oder spritzgegossen.
«Grundsätzlich ist es aus Sicht des Schweizerischen Verpackungsinstituts eine richtige und positive Entscheidung, dass wir in der Schweiz endlich auch Rohstoffe wiederverwerten wollen, aber es ist noch ein langer Weg dorthin. Aus ökonomischen Gründen, hervorgerufen durch die Globalisierung, wurde über Jahre hinweg versäumt, eine nennenswerte Rohstoffproduktion zu bewirtschaften. Heute sind wir daher bei vielen Packmitteln vom Ausland abhängig. Bis das wieder gedreht werden kann, braucht es viele teure Investitionen. Aber trotzdem, der eingeschlagene Weg ist zwar steinig, jedoch absolut notwendig, wenn wir auch in Zukunft eine Industrie in der Schweiz haben wollen», sagt SVIGeschäftsführer Andreas Zopfi.
Die angekündigte Schliessung des letzten Schweizer Produktionswerks für Grünglas wirft ebenfalls die Frage nach der Zukunft des Glasrecyclings in der Schweiz auf. Bis anhin wurde eingesammeltes Grünglas bei Vetropack in St- Prex wieder eingeschmolzen und zu neuen Glasverpackungen verarbeitet. Weiss- und Braunglas werden teils exportiert, konnten aber auch in St-Prex den Grünglas-Scherben zugesetzt werden, da Mischglas auch als Grünglas rezykliert werden kann. Mit der Schliessung entfällt nun auch das Verpackungsglasrecycling in der Schweiz. Dies bedeutet, dass nun sämtliches in der Schweiz eingesammeltes Glas in die umliegenden Länder exportiert werden müsste, im Falle von Vetropack möglicherweise auch zu weit entfernten Standorten in Tschechien oder Kroatien. Selbstredend, dass dies keine ökologisch sinnvolle Lösung sein kann.
Wie die Situation des «Re-Imports» von rezyklierten Verpackungsmaterialien im Krisenfall – wie beispielsweise während der Grenzschliessungen in der Corona-Krise – künftig aussehen wird, wirft ein grosses Fragezeichen auf. Es ist längst nicht gesichert, dass in einem erneuten Krisenfall die Rohstoffe wieder zurück in die Schweiz gelangen. Mit den Erfahrungen aus der Corona-Krise ist gut vorstellbar, dass die umliegenden Länder den Export in die Schweiz blockieren würden. Im Krisenfall könnten daher verschiedene Lebensmittel oder auch Arzneimittel mangels entsprechenden Verpackungsmaterials nicht mehr abgepackt werden. Dann müssten Notfalllösungen oder andere Alternativen gesucht werden. Noch nie war die Schweiz bei Verpackungsmaterialien so massiv von ausländischen Produzenten und vom politischen Wohlwollen des Auslandes abhängig wie heute.